Erstellung eines Notfallplans (ERP)
Für viele UAS-Betreiber ist die Erstellung eines Notfallplans (engl. Emergency Response Plan kurz ERP) auf dem Weg zur Betriebsgenehmigung ein notwendiges Erfordernis.
Dabei mag zunächst der Eindruck entstehen, dass der Aufwand lediglich der Bürokratieerfüllung dienlich ist. Besonders bei komplexen Flugbetrieben mit hohem Betriebsrisiko für Dritte am Boden oder anderen Luftverkehr, stellt der Notfallplan ein wichtiges Werkzeug zur Reduzierung der Gesamtrisiken und -gefährdung dar. Gemäß Risikobewertung nach Artikel 11 der DVO (EU) 2019/947 wird für Einsätze in der speziellen Betriebskategorie grundsätzlich ein Notfallplan mit min. mittlerer Robustheit erwartet. Andernfalls erhöht sich das Bodenrisiko (GRCFIN) um den Faktor 1, was mitunter ein höheres SAIL (Gesamtbetriebsrisiko) und damit höhere luftrechtliche Anforderungen an den Betrieb mit sich bringt.
Inhaltlich sollte sich der Notfallplan gemäß EASA AMC3 UAS.SPEC.030(3)(e) auf Situationen mit dem folgenden möglichen Ausgang fokussieren:
- tödliche Verletzungen von Dritten am Boden;
- Verletzungen von Dritten in der Luft; oder
- Schäden an kritischen Infrastrukturen
Neben diesen Risiken gibt es allerdings auch gute wirtschaftliche Gründe für ein UAS Betreiber einen Notfallplan zu etablieren, um damit mögliche Folgen wie einen Reputationsverlust bei Kunden, betriebswirtschaftliche Verluste oder Geld- oder Gefängnisstrafen im Unglücksfall zu vermeiden.
Konkret wird vom UAS-Betreiber ein reaktives Sicherheitsmanagementsystem mit definierten Handlungsschritten erwartet, welche dazu beitragen einen Notfall zu kontrollieren, einzudämmen und zu beenden. Darüber hinaus sollen die erforderlichen Bedingungen zur Alarmierung der zuständigen Behörden und Stellen geschaffen werden.
Der zu erstellende Notfallplan sollte allerdings nicht aus endlosen Prozessschritten bestehen und etwaige Eventualitäten abdecken. Die daraus resultierende Komplexität erschwert es dem Anwender in einem Notfall schnell und zielgerichtet zu reagieren. Damit ein Notfallplan gemäß EASA als effektiv betrachtet werden kann, müssen die folgenden Kriterien erfüllt werden:
- er muss für die Größe, Art und Komplexität des UAS-Betriebs angemessen sein;
- für das gesamte relevante Personal und gegebenenfalls für andere Stellen leicht zugänglich sein;
- Verfahren und Checklisten für verschiedene oder spezifische Notfallsituationen enthalten;
- Aufgaben und Zuständigkeiten des betreffenden Personals klar definieren;
- Über Kontaktdaten des zuständigen Personals verfügen, auf die schnell zugegriffen werden kann;
- Regelmäßig durch praktische Übungen unter Beteiligung des zuständigen Personals getestet werden und
- Regelmäßig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden, um seine Wirksamkeit aufrechtzuerhalten.
Entwicklung des Notfallplans
1) Identifikation der Notfallsituationen/Risiken
Der Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Notfalls ist die Identifikation der potenziellen Notfallsituationen und Risiken (z.B. unkontrollierter Fly-Away des UAS) die mit dem Betriebsvorhaben einhergehen.
Nehmen wir an, Sie fliegen mit Ihrem UAS die geplante Flugmission und stellen dabei fest, dass das UAS nicht mehr auf Steuersignale reagiert und die Flight Geography verlässt. Das für diesen Fall definierte Contingency Verfahren (1) z.B. Aktivierung der Return-to-Home Funktion zeigt keine Wirkung. Dadurch fliegt das UAS weiter und verlässt nun auch das Contingency Volume. Daraufhin wird das Emergency Verfahren (2) z.B. Aktivierung eines Motornotstopp angewendet. Auch hier bleibt die gewünschte Flugterminierung aus.
Nach dem die definierten Verfahren keine Wirkung erzielt haben, liegt nun ein unkontrollierter Fly-Away des UAS vor. In dieser identifizierten Notsituation gilt es den Notfallplan zu aktivieren (3) und eine weitere Gefährdung für Dritte und anderen Flugverkehr zu minimieren.
2) Definition von Ressourcen und Verantwortlichkeiten
Für die Erstellung eines effektiven Notfallplans müssen für die identifizierten Notfallsituationen die verfügbaren Ressourcen definierten werden, um einen Notfall innerhalb und außerhalb des Unternehmen zu managen. Die identifizierten Ressourcen werden damit Teil des Notfallplans. Es muss jedoch berücksichtigt werden, ob die Ressourcen in allen Fällen zur Verfügung stehen oder z.B. eine fehlende Netzabdeckung eine Telefonverständigung mit Dritten unmöglich macht.
Gemäß EASA wird vom UAS-Betreiber erwartet einen Notfallmanager (engl. Emergency Response Manager (ERM) zu benennen, der die Gesamtverantwortung für die Notfallmaßnahmen trägt. Wenn es sich um eine größere Organisation handelt bzw. externe Personen für die Notfallmaßnahmen eingesetzt werden, wird die Benennung eines Notfallteams (ERT) empfohlen.
Innerhalb des Notfallplans sollten die Zuständigkeiten und Aufgaben der beteiligten Personen klar und eindeutig beschrieben werden.
3) Erstellung des Notfallplans
Mit den identifizierten möglichen Notfallszenarien sowie der verfügbaren Ressourcen kann der eigentliche Notfallplan entwickelt werden. Dabei sollte der folgende grundsätzliche Ablauf gemäß EASA berücksichtigt werden:
- die zuständigen Personen und Stellen zu alarmieren;
- das Leben der betroffenen oder gefährdeten Personen zu schützen;
- erste Hilfe zu leisten, während er auf das Eintreffen der Rettungsdienste wartet, sofern das vom UAS-Betreiber beschäftigte Personal dafür qualifiziert ist;
- die Sicherheit der Einsatzkräfte zu gewährleisten;
- sich mit Sekundäreffekten zu befassen und Maßnahmen zu deren Verringerung zu ergreifen (z. B. bei einem Absturz des UA auf einer Straße die anderen Verkehrsteilnehmer zu warnen oder sie entsprechend umzuleiten, um einen Zusammenstoß mit dem abgestürzten UAS zu vermeiden);
- die Notsituation unter Kontrolle zu halten oder einzudämmen;
- Eigentum zu schützen;
- die normale Situation so bald wie möglich wiederherzustellen;
- die Notfallsituation und die Reaktion darauf zu dokumentieren und Beweise für weitere Untersuchungen zu sichern;
- Beseitigung der beschädigten Gegenstände, sofern sie nicht für Ermittlungszwecke benötigt werden, und Wiederherstellung des Ortes, an dem der Notfall eingetreten ist;
- Nachbesprechung mit dem betroffenen Personal;
- alle erforderlichen Berichte oder Benachrichtigungen für die Zeit nach dem Notfall vorzubereiten; und
Als nächstes muss die Entscheidung getroffen werden, ob der Notfallplan in einem eigenständigen Dokument oder innerhalb des Operation Manual beschrieben wird. Die Entscheidung sollte davon abhängig gemacht werden, wer Zugang zu dem Notfallplan benötigt. Wenn z.B. die beschriebenen Rollen innerhalb des Notfallplans nicht Teil der Betreiberorganisation sind, ist es ratsam ein eigenständiges Dokument zu erstellen.
Sie haben nun entschieden was zu Ihrem Notfallplan gehört. Damit kann die Erstellung des Dokuments beginnen. Typische Kapitel sind:
- Kontaktliste für internes Personal und externe Agenturen
- Rollen und Verantwortlichkeiten
- Maßnahmen, die bei Unfällen, Zwischenfällen oder Unregelmäßigkeiten zu ergreifen sind, um die Gefahr zu mindern und die Sicherheit in jeder gefährlichen Situation zu gewährleisten
- Welche Befugnisse werden an wen delegiert, um den Notfall zu bewältigen und zu entscheiden, wie der Betrieb fortgesetzt wird?
- Notfallausrüstung: Checkliste der Gegenstände, wer dafür verantwortlich ist
- Prüflisten
- Karte des Einsatzgebietes mit Meldepunkten
- Spezifische Standortüberlegungen
- Interaktion mit den Medien
- Anforderungen an die Beweiserhebung und Berichterstattung
- Verfahren zur Säuberung des Standorts
- Verfahren für gefährliches Material
- Maßnahmen nach einem Zwischenfall
4) Validierung des Notfallplans
Gemäß EASA ist die Validierung des erstellten Notfallplans durch eine so genannte Table Top Excercise erforderlich. Diese praktische Übung dient dazu, zu prüfen, ob die definierten Inhalte und Prozessschritte auch in einem simulierten Beispielfall funktionieren und der Notfallplan für die Beteiligten ein effektives Werkzeug darstellt. Dabei sollte der Betreiber sicherstellen, dass die Übung:
- in Übereinstimmung
- mit den Kriterien erstellt wurde, die im Notfallplan angegeben sind, um als repräsentativ zu gelten;
mit dem Schulungsprogramm übereinstimmt; - Sitzungen umfasst, in denen eine oder mehrere Szenarien der identifizierten Notfallsituationen von den Übungsteilnehmern erörtert werden
- wird vom ERM oder einer anderen benannten Person geleitet;
- die Teilnahme von Dritten umfasst, die im Notfallplan angegeben sind; die Bedingungen für die Teilnahme dieser Dritten sollten im Notfallplan definierten werden; und
- mit der im Notfallplan angegebenen Häufigkeit durchgeführt wird.
Bei Notfallplänen mit hoher Robustheit ist neben der Durchführung der Table Top Exercise eine Validierung durch eine fachkundige Stelle oder einer durch die zuständige Behörde benannten fachkundige Stelle erforderlich.
5) Schulung der Notfallplaninhalte
Es liegt nun ein validierter Notfallplan vor. Dieser ist allerdings nicht wirksam, solange nicht alle Mitarbeiter geschult sind und den Inhalt beherrschen. Es sind daher Schulungen erforderlich, um die beteiligten Personen über den Notfallplan und die Inhalte zu informieren. Die Häufigkeit der Schulung sollte im Trainingsplan des Betreibers festgehalten und jede Durchführung dokumentiert werden.
6) Anpassung an den Standort
Sie haben nun ein Notfallplan, der für Ihren Betrieb geeignet ist. Für jeden neuen Standort müssen die Inhalte (z.B. Kontaktlisten) auf Gültigkeit überprüft werden und ggf. an die geänderten Rahmenbedingungen des neuen Standorts angepasst werden kann.